Glocken im Erzgebirge
Glocken rufen zum Gebet und laden ein.
Glocken mahnen zum Frieden und verbinden durch ihren grenzüberschreitenden Klang Menschen, Völker und Nationen.
Bereits seit der frühen Besiedlung des Erzgebirges und dem Entstehen von Kapellen und Kirchen,
rufen auch in diesem Landstrich Glocken von den Türmen.
Die besondere Glockenlandschaft der Region, besonders des Obererzgebirges war einst weithin bekannt.
Das heißt, die Glocken der Region bildeten klanglich eine Einheit und das Zusammenläuten sämtlicher Glocken der unterschiedlichen Ortschaften, waren ein musikalisches Kleinod.
Durch die Beschlagnahmung vieler Glocken für die Rüstungsindustrie beider Weltkriege wurde diese Einzigartigkeit weitgehend zerstört.
Die beschlagnahmten und eingeschmolzenen Bronzeglocken sind nach den Kriegen durch Eisenhartguss- und durch Stahlglocken ersetzt worden.
Diese Glocken aus minderwertigem Material sind zum einen in ihrer Lebensdauer gegenüber Bronzeglocken sehr stark eingeschränkt, zum anderen klanglich meist reduziert.
Auch braucht eine Glocke aus diesen Materialien ein bedeutend größeres Volumen, um das Klangbild einer im gleichen Tonalbereich befindlichen Bronzeglocke zu erlangen.
Eisenhartguss- und Stahlglocken sind also bei gleichem Tonaufbau viel größer als ihre bronzenen Schwestern.
Das hatte zur Folge, dass zahlreiche Türme unter der voluminösen Belastung zu leiden hatten.
Glücklicherweise besteht seit einigen Jahren die Möglichkeit, diese Glocken wieder durch Bronzeglocken zu ersetzen.
Dabei entstehen in den meisten Fällen die Geläute klanglich wieder nach historischer Vorlage, was sehr zu begrüßen ist.
Das Erzgebirge kann auch auf weitere Besonderheit verweisen und auf eine sehr alte Bergbautradition zurückblicken.
Und mit ihr ist das Geläut von Berg- und Häuerglocken verbunden.
Das Läuten dieser Glocken diente: „...den Bergleuten zur Nachrichtung, wann sie aus- und einfahren sollen.“
Außerdem läutete die Berg- oder Häuerglocke zum Schichtbeginn, wo sich alle Bergmänner zur Andacht versammelten. Man stellt sich unter Hut und Schutz Gottes. Deswegen werden diese schlichten und bescheidenen Andachtshäuser der Bergleute auch als Huthäuser bezeichnet.
Bereits 1554 heißt es in der Bergordnung des Kurfürsten August:
„Man soll früh zu vier Uhren die erste Schicht, die andere zu zwölfen, die dritte zu achtenb des Nachts anfahren und eine Stunde anlauten.“
Noch heute wird in verschiedenen Bergstädten des Erzgebirges der Brauch des regelmäßigen Läutens der Berg- und Häuerglocken gepflegt.
So zum Beispiel in Schwarzenberg, Marienberg, Annaberg-Buchholz und Schneeberg.
Möge diese schöne alte Tradition noch recht lange erhalten bleiben, Menschen zum Gebet einladen und von der tiefen Frömmigkeit unserer Vorfahren zeugen.
Gerd Schlesinger
Türmer der Stadt Schwarzenberg
und Campanologe